In den vergangenen Jahren kannte die Zinsentwicklung bekanntermaßen nur eine Richtung: nach unten. Von 2016 bis Mitte 2022 lag der Leitzins bei null Prozent. Und noch bemerkenswerter: Bereits 2014 hatte die Europäische Zentralbank einen negativen sogenannten Einlagensatz beschlossen. Was zuvor kaum vorstellbar war, wurde damals Wirklichkeit: Wir als Banken mussten Zinsen auf unsere Einlagen bei der EZB zahlen!
Seit 2022 ist alles anders. Infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise in Verbindung mit bereits vorher bestehenden Lieferkettenproblemen verschärfte sich die Inflation erheblich. Zentralbanken reagierten mit starken Zinserhöhungen – darunter auch die europäische Zentralbank ab Juli 2022 mit mehreren Zinsschritten. Aktuell liegt der Leitzins im Euroraum bei 2,5 Prozent, und auch auf Einlagen der Banken zahlt die Zentralbank wieder 2 Prozent – die Ära der Negativzinsen ist somit bis auf Weiteres vorbei und Rezessionsängste machen sich breit.
Wir gehen davon aus, dass sich die Zinsentwicklung längerfristig positiv auf unser Geschäft und die Wahrnehmung unseres Förderauftrags auswirken wird. Schon jetzt vergeben wir neue Kredite zu deutlich höheren Zinssätzen als noch vor ein oder zwei Jahren. Und wir müssen auf Kundeneinlagen keine Negativzinsen mehr erheben.
Als Kreditinstitut stehen wir vor mehreren Herausforderungen. So betrifft die Inflation auch uns als Unternehmen; bestimmte Kosten – beispielsweise für Strom, Heizung und die Bargeldlogistik – sind 2022 bereits deutlich gestiegen, und der Trend zeigt leider weiterhin nach oben.
Darüber hinaus müssen wir uns darauf einstellen, dass nach Eintritt einer eventuellen Rezession auch die Kreditrisiken zunehmen werden. Das bedeutet insbesondere, dass eine gute Eigenkapitalausstattung für unser Institut noch wichtiger wird.
Kurzfristig hat allerdings auch die Zinswende selbst negative Folgen für uns als Bank. Dies gilt vor allem für unsere Eigenanlagen in festverzinslichen Wertpapieren, deren Kurse vor dem Hintergrund gestiegener Zinsen gefallen sind. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die nominale Verzinsung der Wertpapiere den Kursverlusten zum Trotz unverändert bleibt. Zum Ende der Laufzeit werden diese in aller Regel voll zurückgezahlt.
Was bedeutet das konkret für unsere Geschäftszahlen 2022 und für unsere weitere Strategie als Bank?
Die Rahmenbedingungen waren 2022 nicht vergleichbar mit den Vorjahren. Unser Betriebsergebnis (nach Bewertung) ist daher erheblich schlechter ausgefallen, als wir es in der jüngeren Vergangenheit gewohnt waren. Begründet ist dies in den sehr hohen Wertpapierabschreibungen, für deren Ausgleich auch auf in Vorjahren gelegte Vorsorgereserven wesentlich zurückgegriffen wurde.
Die positive Nachricht ist aber, dass diese Effekte aller Voraussicht nach vorübergehend sind – denn längerfristig werden höhere Zinsen zur Stabilisierung des Zinsergebnisses beitragen. Das sieht übrigens auch die Bankenaufsicht so, wie man öffentlichen Äußerungen von Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – kurz BaFin – entnehmen kann. Die dann zu erwartenden höheren Margen geben uns Mittel für erforderliche Investitionen zum Beispiel in die Digitalisierung und Nachhaltigkeitstransformation unserer Gesellschaft.
Seit Jahren richten wir uns an diesen Megatrends aus. Viele Service- und Produktprozesse haben wir digitalisiert. Immer mehr Kunden nehmen die Möglichkeit wahr, in unserer Internet-Filiale Konten zu eröffnen, einen Verbraucherkredit aufzunehmen oder Onlineserviceaufträge auszulösen, beispielsweise zur Bestellung einer Karte, um Limite zu ändern oder einen Beratungstermin zu vereinbaren. Die Zahl unserer Onlinebanking-Nutzer ist weiter gestiegen. Die digitale Banking-App der Volksbanken und Raiffeisenbanken hat eine neue Qualitätsstufe erreicht.
Unverändert wichtig bleibt der Bedarf an Genossenschaftlicher Beratung. Dieser Entwicklung trägt die Neuausrichtung der Filialstruktur Rechnung, welche nun stärker auf die Kundenberatung fokussiert ist.
Auf unserem Weg zur nachhaltigen Leipziger Volksbank sind wir weitere Schritte gegangen. 2022 ist fast jeder dritte Euro, den Anlegerinnen und Anleger in Investmentfonds angelegt haben, in eine nachhaltige Produktalternative geflossen. Über zweitausend Mitglieder nutzen das Nachhaltige Hausbank-Konto, welches sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientiert. Im Kreditbereich runden nachhaltige Angebote unsere Produktpalette ab.
Es hat sich als richtig erwiesen, dass wir uns langfristig auf Szenarien eines eventuellen Zinsanstiegs eingerichtet haben. Das war der Grund, weshalb wir während der "guten Zeiten" als Bank so viel Wert darauf gelegt haben, unser Eigenkapital zu stärken. Somit sind wir auch unter den jetzigen Bedingungen dafür gerüstet, unseren genossenschaftlichen Förderauftrag im Interesse unserer Mitglieder und unserer Region wahrzunehmen. Wir können weiter unseren gewerblichen und privaten Kundinnen und Kunden als zuverlässiger Kreditgeber zur Seite stehen. Damit wir auch künftig auf versierte Kundenbetreuer und Spezialisten zurückgreifen können, fördern wir laufend Nachwuchskräfte in einem Trainee-Programm.
Nachstehend möchten wir ganz konkret wichtige Bilanzzahlen und GuV-Ergebnisse einordnen.